Bologna-Reform in der Kritik – Ist die Kritik gerechtfertigt?

Hallo liebe Mitstreiter,

ich schiebe den Artikel schon ein wenig vor mir her, habe aber nun endlich die Zeit im neuen Jahr gefunden, mal wieder meinen Senf abzugeben. Ich hoffe, Sie sind alle gut ins neue Jahr gerutscht und haben Ihre Vorsätze schon gebrochen.

Nun ja, am 13.12.2012 veröffentlichte die TAZ einen Online-Kommentar unter der Überschrift „Die Bachelorlüge – Die Kritik an der Bologna-Reform ist vollkommen unberechtigt“.

Hintergrund des Artikels ist wohl der 10-jährige Geburtstag der sogenannten ‚Bologna-Reform‘.

Bologna! Nicht Bolognese – Worum gehts also?

Ich möchte vorab kurz erläutern, worum es bei dieser Bologna-Reform überhaupt geht. Alle meine Erkenntnisse über die Bologna-Reform beziehen sich auf Informationen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Alle Unterlagen bzgl. aller stattgefundener Treffen der EU-Bildungsminister sowie deren ausgearbeiteten Communiques finden Sie hier, weitere Quelle siehe unten.

Es kam in den späten 1980er Jahren die Idee in der EU auf, es wäre schön, wenn Bildung europaweit, grenzüberschreitend und ohne große bürokratische Hürden in jeder beliebigen Form (Studieren, Schule, Ausbildung, Fort- und Weiterbildung) möglich wäre. Nach dem die Idee geboren war, bei welcher das amerikanische Hochschulsystem mit den scheinbar landesgrenzenüberscheitenden Möglichkeiten der Studienwahl und -wechselei die Grundlage darstellte,  vereinbarten die EU-Mitglieder sich mal alle 2 Jahre zu treffen und eine Agenda auszuarbeiten. Nunja, mit den USA als Vorbild, dem Land der unbeschränkten Möglichkeiten, liegt es ja nahe, dass man aus dem Hochschulbildungssystem, ein globales, europäisches Gesamtbildungssystem schaffen könne, welches eben nicht nur die Hochschulausbildung beinhalten würde. Klar – größer, besser, weiter als die USA – auf zur Bildungsspitze, auf zur ELITE!

Nach nunmehr 24 Jahren und 10 Jahren nach Start der Studienreform in Deutschland gibt es in dem Großteil von Deutschland fast ausschließlich Studiengänge mit Bachelor- und Masterabschlüssen. Die Regelstudienzeiten liegen zwischen 6-8 Semestern für den Bachelor und zwischen 3-4 Semester für den Master. Das Staatsexamen wird bald auch von Bachelorstudiengängen abgelöst, im Lehramtbereich findet die Umstellung gerade statt, im Bereich der Medizin weiß man bis heute nicht, wie das umgesetzt werden soll. Nebenbei hat, soweit ich weiß, ein ostdeutsches Bundesland (welches ist mir entfallen, wenn jemand mehr weiß, bitte ich um Kommentare!) das Diplom als Hochschulabchluss behalten und verstößt damit dennoch nicht gegen die Bologna-Reform. Aber dazu später mehr.

Wie ging es nach 1988 weiter?

Für mehr Informationen über Bologna und die Geschichte der Reform, klicken Sie hier.

Es hagelt Kritik an der Reform

Wie oben bereits erwähnt veröffentlichte die TAZ einen Kommentar mit dem Titel „Die Bachelorlüge“. Der Kommentar hat gute Ansätze, ist jedoch schlecht recherchiert und auch die Argumente sind nicht zu Ende gedacht. Über den Autor Bernd Kramer wird in dem Kommentar angegeben, dass Herr Kramer Bildungsredakteur der taz sei. „Er ist diplomierter Volkswirt – Master wäre aber auch okay.“ Zitat: taz.de 

Ein Volkswirt der einen Kommentar zum Bachelor-/Mastersystem abgibt? Nun gut, Meinungsfreiheit! Aber im Ernst: Er selbst hat sein Studium mit einem Diplom abgeschlossen, hat vermutlich keinen großen Bezug zur Hochschule und dem Bildungssystem, außer das er Bildungsredakteur ist. Dazu kommt, er ist Volkwirt, sprich er hat BWL und VWL studiert. Ich möchte Herrn Kramer nicht zu Nahe treten, jedoch sehe ich diese Studiengänge als sehr unwissenschaftlich und wenig akademisch an. Daraus folgt für mich, dass Herr Kramer vermutlich keine großen Kenntnisse in wissenschaftlichem Arbeiten und Lernen erworben hat.

Aber was macht denn das BA/MA-System zur Zeit aus? Schauen wir doch mal ein paar Jahre zurück so ca. zweieinhalb Jahre.

Im Jahre 2010 formierten sich bundesweit in über 100 Städten 270.000 Menschen, v.a. Schüler_innen, Studierende, Auszubildende, Erwerbstätige, Erwerbslose und Gewerkschafter_innen, um gemeinsam gegen die unzumutbaren Zustände im Bildungssystem zu demonstrieren.

Ich selbst war dabei, nicht nur auf der Straße, auch in der Planung und Ausführung, ich habe Hörsäle besetzt und Lobbyarbeit betrieben. Vorallem habe ich mit vielen Studierenden gesprochen.

Keinem der Studierenden ging es je um die Angst, keinen Arbeitsplatz zu finden. Nein, sie hatten Angst das Studium nicht bewältigen zu können.

Jetzt schreien vermutlich viele konservative Mitbürger sofort auf und behaupten, dass die Studierenden ja auch nicht mehr in der Lage wären, zu studieren. Ein Studium wäre schon immer hart gewesen, da müsse man durch. Sie selbst hätten das schließlich auch geschafft.

Mit solchen Menschen habe ich mich damals auch viel und gerne auseinandergesetzt, nicht um sie zu bekehren, das geht eh nicht. Viel mehr deshalb um mich hinterher über ihre verschlossene Sichtweise, ihre Sozialignoranz lustig zu machen und im gleichen Atemzug die Hände über den Kopf zu schlagen und mich zu fragen, wo unsere Gesellschaft hindriften wird.

Meine Antwort auf solche Behauptungen war immer:

‚Wie oft haben Sie sich in Ihrem Studium übergeben, weil Sie sich überarbeitet haben? – Vermutlich nicht einmal, meinen Kommilitonen passiert das regelmäßig.

Wieviel Monate haben Sie am Stück mit weniger als 5 Stunden schlaf täglich auskommen müssen? – Vermutlich nur, wenn Sie zu lange ausgegangen waren.

Wie haben Sie sich finanziert? – Ach, Papa hatte ausreichend Geld, aber ohne das Geld wären Sie mit einem Nebenjob auch ausgekommen. Viele meiner Kommilitonen haben 2-4 Jobs, bekommen Bafög und haben einen Studienkredit.

Wie hoch waren Ihre Studiengebühren? – Achso, um die 100 DM. Heute sind’s 240,-€ Semesterbeitrag plus 500 € Studiengebühren, entspricht also ca. 740 €/Semester, also ca. 1500 €/Semester.

Aber alles halb so schlimm, das liegt ja an den Studenten!‘

Dann war sehr schnell Ruhe, sie haben gegrummelt und tief in ihren Taschen nach weiteren Argumenten gekramt. Klarer Fall von Desinformation.

So auch der Artikel der TAZ. Er ist so gut, wie die Kommuniqués der Bologna-Reform – plakativ, aber wenig hilfreich.

Noch eins ist wichtig: Es wird immer alles auf die Bologna-Reform geschoben, dabei kann die Reform dafür am wenigsten, denn:

Die Bologna-Reform entsteht (es ist ein immer noch andauernder Prozess der vor 2020 nicht abgeschlossen sein wird) in Kooperation mit sehr vielen EU- und UNESCO-Mitgliedsstaaten. Alle Beschlüsse die getroffen werden, können in Deutschland nicht direkt umgesetzt werden. Das muss erst durch den Bundestag und wenn die Hürde geschafft ist, war alle Arbeit umsonst, denn die Bildung ist in Deutschland Ländersache. Gut, jetzt mag der eine oder andere denken, dass die Bundesparteien, doch den Landesparteien sagen können, dass sie die Beschlüsse doch bitte umsetzen sollen. So geschah es auch. Der Bund verfasste das Hochschulrahmengesetz, es trat auf Bundesebene 2002 (10-jähriges Jubiläum, welches 2012 so groß gefeiert wurde) in Kraft und einige Jahre später, nach den Studentenprotesten, klagten die Länder gegen dieses Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht, weil die Länder es nicht weiter umsetzen wollten. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass das Hochschulrahmengesetz nicht mit der Verfassung vereinbar sei, dass Bildung Ländersache sei und damit der Bund keine Gesetze im Bildungsbereich erlassen darf. Das war es dann mit der Bundesbildungspolitik und der direkten Umsetzung aus Brüssel!

Zurück zur TAZ:

Die TAZ zitiert den Chef der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Horst Hippler, dass für ihn ein Bachelor in Physik nie im Leben ein Physiker sei. Harte Worte eines Chefs einer Konferenz die vor ca. 5 Jahren behauptet hat, sie wolle, das BA/MA-System einführen und vorantreiben. Es gab Beschlüsse der HRK, die Ideen der Bologna-Reform in Deutschland umzusetzen.

Laut TAZ-Kommentar wurden die neuen Abschlüsse beworben, als wären ab jetzt die Studiengänge strukturiert und berechenbar.

Strukturiert? Berechenbar? Liest man sich die Studien- und Prüfungsordnungen der meisten Studiengänge mal durch, hat man schnell den Eindruck alles wäre sehr strukturiert und auch planbar. Aber weit gefehlt. Da ja alle Module, so heißen die Fächer heute, mit ECTS-Punkten, sogenannten Credit-Points (CP) belegt sind und ein CP für 30 Arbeitsstunden gilt, scheint alles doch machbar zu sein. Bedeutet also erstmal, jeder Student weiß, wie lange er für jedes Modul brauchen darf.

Ich benutze absichtlich hier das Wort ‚darf‘. Ja er wird ja dazu gezwungen, die Arbeitsstunden einzuhalten. Warum? Einfache Antwort: Braucht ein Student länger, bekommt er nicht mehr CPs.

Jedes Semester ist ausgelegt auf 30 CPs. Das bedeutet 900 Stunden Arbeiten. Arbeiten im Sinne von Lernen, Klausuren vorbereiten, Vorlesungen hören, vor- und nachbereiten, Hausarbeiten schreiben, etc. 900 Stunden pro Semester. Machbar? Nein! Es kommen zusätzlich Zeiten für Anfahrt dazu, Wartezeiten vor den Sprechstunden der Professoren, arbeitsfreie Pausen zwischen den Vorlesungen, etc.

Planbar – nur auf dem Papier! Oder mit viel Kaffee, Energy-Drinks, Koffeintabletten, Aufputschmitteln und wenig Schlaf. Liebe Leser, das ist keine Seltenheit, auch wenn Sie es nicht glauben mögen. Fragen Sie bitte einen Studenten Ende Juli / Anfang August, wie lang er in der letzten Nacht geschlafen hat oder wieviel Liter Kaffee er/sie getrunken hat. Sie werden mir spätestens dann glauben.

Das Studium ist ein „Selbstlernprogramm“ – taz.de

Leider nein! Dem Studierenden bleibt heute gar keine Zeit selbst zu lernen, über den Tellerrand zu schauen, selbst zu recherchieren. Während des Diploms soll es das gegeben haben. Ein Bachelorstudierender, der sich Zeit nimmt, die Dinge zu hinterfragen, selbst zu recherchieren und sich selbst eine Meinung zu bilden, verliert Zeit, viel Zeit. Er lernt viel dabei, riskiert auch viel: Längere Studienzeiten, weniger Schlaf, mehr Stress, Verlust des Bafög-Anspruchs aufgrund längerer Studienzeiten und daraus resultierende Finanzierungsprobleme. (Ich gehe hier auch von einem normalsterblichen Studenten mit Eltern mit einem unteren bis mittleren Einkommen aus, die ihr Studium nicht durch Mami und Papi finanzieren können und zum 18. Geburtstag den neuen Audi A8 geschenkt bekommen haben, weil ‚das Kind braucht ja ein Auto‘!)

Anerkennung von Leistungen

Europaweit vergleichbare Abschlüsse? Ein Bachelor aus Deutschland wird weder in Frankreich, Spanien, dem Vereinigten Königreich noch sonstwo in Europa anerkannt. Warum? Jeder Staat hat für jeden Studiengang unterschiedliche Lehrinhalte und Regelstudiendauern. – Bologna-Fail!

Anerkennung von Leistungen von Hochschulwechslern? Ein Maschinenbaustudierender der Uni XY möchte zur Uni ZA wechseln, weil ein Teil des Studiums an der anderen Uni besser ist. Es werden ihm sehr häufig so gut wie keine Leistungen anerkannt. Warum? Elitedenken der Hochschulen gepaart mit einem zu großen Verwaltungsaufwand, die Modulbeschreibungen der einen Uni mit der Modulbeschreibung der eigenen Hochschule zu vergleichen – Hochschul-Fail!

„Bachelor-Absolventen haben gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt – wie übrigens Akademiker im Allgemeinen.“ – taz.de

Ja klar, in BWL, VWL, Rechtswissenschaften. Aber in technischen Fächern wird es da sehr eng. Die Wirtschaft hat sich noch lange nicht auf die Bachelor- und Masterabsolventen vorbereitet.

Was ist denn nun ein Bachelor? Was ein Master? Wie kann die Wirtschaft beide Abschlüsse einordnen, im Vergleich zum Diplom? – Eigentlich kann man die BA/MA und das Diplom nicht vergleichen. Man kann nicht sagen, der Master entspricht dem Diplom, denn das ist falsch. Auch wenn die Regelstudienzeit ggf. gleich ist, werden andere Inhalte vermittelt. Das Diplom ist auch nicht unbedingt zwischen Bachelor und Master anzusiedeln.

Die Wirtschaft und auch alle Mitmenschen müssen aufwachen und sich darüber im klaren sein, dass die Struktur von Bachelor und Master anders ist, als das Diplom – und auch nicht unwesentlich!

Was sind die Unterschiede zwischen BA/MA und Diplom?

Erstmal möchte ich hier feststellen, dass Bachelor und Master eine Erfindung der deutschen Politik ist, die sich bei der Namensgebung an den UK und den USA orientiert. Festgelegt wurde im Zuge des Bologna-Prozesses, dass es lediglich ein zweigliedriges Studiensystem geben soll. Zweigliedrig bedeutet nach Bologna ein undergraduated und ein graduated System. Dies entspricht unserem heutigen Bachelor (undergraduated) und Master (graduated). Weiterhin fordert Bologna eine Modularisierung der einzelnen Fächer. Das bedeutet, dass ein Modul in sich geschlossen ist und zum Ende durch einen Leistungsnachweis abgeschlossen wird. Das heißt ein Modul enthält Vorlesungen, Übungen, Hausarbeiten, Klausurvorbereitung, Vor- und Nachbereitung der Vorlesungen und Praktika und den Leistungsnachweis. Erst nach Abschluss eines Moduls, sprich nach dem positiven Ergebnis des Leistungsnachweises, gilt das Modul als abgeschlossen und man erwirbt die vorgegebene Anzahl CPs. Ich weiß aber auch genauso gut, dass das an fast allen Hochschulen anders gehandhabt wird.

Beim Diplom war die Struktur ‚einfacher‘. Ein Fach durfte über mehrere Semester laufen, musste in sich nicht abgeschlossen sein. Hausarbeiten und Projekte mussten nicht unter dem selben Fach laufen, sondern durften auch eigenständige Leistungen sein.

Das ist der recht ‚einfache‘ Unterschied. Wie nun die Bundesländer den Abschluss ihrer Studiengänge nennen, ist ihnen selbst überlassen. So beschloss das, oben bereits erwähnte, ostdeutsche Bundesland für sich, dass sie den undergraduated-Abschluss Diplom nennen, ihm eine Regelstudienzeit von 8 Semester geben. Den Graduated-Abschluss nannten sie Master.

Apropos Regelstudienzeit: Alle reden immer davon, der Bachelor müsste nach Bologna eine Regelstudienzeit von 6 Semestern und der Master von 4 Semestern aufweisen. Das ist FALSCH!!! Bologna an sich hat niemals geregelt, welche Regelstudienzeit sinnvoll wäre. Das kommt von der Bundesregierung. Die Bundesregierung stellt den Bundesländern Finanzmittel zur Finanzierung der Bildung in Ihrem Land zur Verfügung. Diese Finanzmittel sind gerade so hoch, dass die einzelnen Länder pro Student maximal eine Studiendauer von insgesamt 10 Semestern finanzieren können. Daraus folgt dann der Schluss für die Länder und auch für die Hochschulen, dass das zweigliedrige System innerhalb von 10 Semestern abgeschlossen sein muss. Wie diese 10 Semester nun auf Bachelor und Master aufgeteilt werden, ist den Hochschulen selbst überlassen. Jedoch wissen die Hochschulen, dass sie jedes Semester über den 10 Semestern selbst finanzieren müssen. Das können und wollen sie nicht. Zudem kommt, dass jeder Studierende, der nicht in Regelstudienzeit sein Studium abschließt, die Hochschule mehr Geld kostet, als vom Land zur Verfügung gestellt wurde. Denn jeder Studierende muss nach der Regelstudienzeit dennoch in der Hochschule betreut werden. Sei es durch Professoren, weil die Studierenden noch Vorlesungen besuchen, sei es durch Lehrpersonal oder durch Verwaltungspersonal. Daher kommt nun auch der Druck seitens der Hochschule auf die Studierenden zustande.

„Die Absolventen seien nicht die ‚Persönlichkeiten‘, die die Wirtschaft brauche!“ – süddeutsche.de

Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte am 15.08.2012 einen Online-Artikel zum Thema „Zehn Jahre Bologna-Reform“ mit der Überschrift „Harsche Kritik an Bachelor und Master“.

Interessant ist, dass hier wiedermal der Chef der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Horst Hippler, interviewt wurde. Mit interessanten und meiner Meinung nach sehr peinlichen Aussagen.

Ich möchte hier kurz die süddeutsche.de zitieren:

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung kritisierte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Horst Hippler, dass zentrale Ziele des Bologna-Prozesses nicht erreicht worden seien. Zum einen mache das neue System es den Studenten nicht leichter, ins Ausland zu gehen. „Dieses Versprechen ist nicht wirklich erfüllt worden“, sagte Hippler. Zum anderen sei der sechssemestrige Bachelor-Abschluss an den Universitäten – anders als an Fachhochschulen – in der Regel zwar „berufsqualifizierend“, reiche doch in vielen Fächern und Branchen nicht aus. Horst Hippler, 65 Jahre alt, ist seit Mai Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, in der fast  alle staatlichen Hochschulen in Deutschland organisiert sind.

Zitat: sueddeutsche.de

Horst Hippler sagt also,

  • dass zentrale Ziele des Bologna-Prozesses nicht erreicht worden sind,
  • dass das Versprechen nicht erfüllt worden ist,dass Studenten leichter ins Ausland gehen können,
  • dass sechssemestrige Bachelor-Abschlüsse an Universitäten, anders als an Fachhochschulen, zwar berufsqualifizierend, aber nicht ausreichend seien

Liebe Leser, da sie bis jetzt einiges über Bologna wissen sollten, frage ich: An wem liegt denn die Tatsache, dass die Aussagen  von Herrn Hippler zustimmen? – Ich sage, es liegt eben an genau jenen für die Herr Hippler spricht: Die Hochschulrektoren. Nätürlich ist die Politik nicht unschuldig, aber die Umsetzung des Bologna-Prozesses ist Sache der Hochschulen und der HRK. Warum? Bildung ist ländersache und um das System bundesweit einheitlich zu machen, müssen entweder die Länder kooperieren, was sie, meiner Meinung nach, aufgrund politischer Differenzen zwischen den Parteien und Koalitionen nicht können, oder aber es müssen die Hochschulrektoren sich an einen Tisch setzen und ein gemeinsames Konzept erarbeiten. Da die Rektoren sich eh regelmäßig zum Golfen treffen, auf der HRK, könnten sie anstelle, des nächsten Golfturniers doch mal sinnvolle Dinge wie zum Beispiel die Umsetzung der Bologna-Reform beschließen. An diesen Beschluss wären dann nämlich alle Hochschule gebunden.

Das werden sie aber niemals tun, sonst müssten sie nämlich, wenn das Konzept nicht aufgeht, selbst dafür gerade stehen, müssten gegebenfalls zurücktreten, fallen ggf. aus dem Beamtenstatus und können sich infolge dessen keinen Chauffeur mehr leisten! Ach, Hochschulrektoren haben es sehr schwer!

Aber was mich am Meisten interessiert, ist die Aussage, dass ein sechssemestriger Bachelor-Abschluss an einer Uni nicht ausreicht. Er sei zwar berufsqualifizierend, aber reiche, anders als bei Fachhochschulen, nicht aus.

Moment mal:

  1. Ein Bachelor ist nicht grundlegend berufsqualifizierend, denn nehmen wir den Studiengang Architektur. Ein Architektur-Absolvent wird vor der Architektenkammer erst mit einem Masterabschluss oder mit, ich meine, 3-jähriger Berufserfahrung als Architekt anerkannt. Berufsqualifizierend ist der Bachelor also nicht generell.
  2. Warum ist ein Maschinenbau-Bachelor (FH) besser für die Wirtschaft geeignet als ein Maschinenbau-Bachelor (Uni)? Ich sehe keinen Zusammenhang. Sollte eine Uni es nicht schaffen, einen Maschinenbau-Absolvent innerhalb von 6-7 Semestern berufsqualifizierend auszubilden, sollte sich jeder Student stark überlegen an eine FH zu wechseln. Stimmt die Behauptung von Herrn Hippler, dann muss ich sagen, dass Unis ihren Lehrauftrag umgehend abgeben sollten. Fachhochschulen können anscheinend berufsqualifizierend ausbilden!
  3. Diese These stimmt meiner Meinung nach bei naturwissenschaftlichen Fächern, ausgenommen Mathematik. Dort ist es wirklich häufig so, dass man einen Master benötigt. Das liegt jedoch daran, dass z.B. ein Chemiker ohne eine Promotion auch nicht als Chemiker anerkannt wird. Und ohne Master keine Promotion. Meiner Meinung nach kein Problem des Bologna-Prozesses, denn diese Tatsache galt auch schon zu Zeiten des Diploms.

Bologna – eine „europäische Erfolgsgeschichte“?

So wurde Annette Schavan, Bildungsministerin, in der sueddeutschen.de zitiert. Mein Statement: Hört sich gut für den nächsten Wahlkampf an. Ich seh das anders.

Ja, der Bologna-Prozess ist in Deutschland und der EU auf dem richtigen Weg. In der EU hätte bereits ein einheitliches Bildungssystem nach nunmehr 24 Jahren stehen können, wenn man wirklich gewollt hätte und mal einen Arbeitskreis, eine Agenda oder sonst irgendein Organ mit Speziallisten und Sachverständigen eingesetzt hätte und nicht jedem Staat eine Rahmenrichtlinie an die Hand gegeben hätte, frei nach dem Motto: ‚Mach mal!‘

Ich sehe ein, wir können das nicht mehr ändern, aber verbessern. Aber wer? – Wir alle! Die Politik muss mit anderen EU-Staaten engere Richtlinien schaffen, in Deutschland muss, wenn man Bologna richtig umsetzen will, die Verfassung im Bereich der Hochschulbildung geändert werden, die Hochschulrektoren müssen von ihren hohen Rössern absteigen, mal die Studierenden befragen und die rosarote Excellenz- und Elite-Brille abnehmen, die BaföG-Förderungsdauer muss verlängert werden. Die Studierenden sind jedoch auch selbst gefragt: Sie müssen sich trotz Regelstudienzeiten engagieren, in Hochschulgremien, im AStA, in Fachbereichsräten und Studienreformkommissionen. Es gibt Fachbereiche, in denen haben Studierende ihren Studiengang selbst entworfen. Wie das geht? Ganz einfach! Druck bei den Professoren aufbauen, Glück haben, dass der Studiengang nicht reakkreditiert werden soll und dann mit einer Gruppe von Studenten im Fachbereichsrat vorschlagen, dass mal ein Studiengangskonzept ausgearbeitet werden solle. Das wird Zuspruch finden – garantiert. Dann müssen die Rahmenbedinungen geschaffen werden, dass Studenten grundsätzlich in diesem Arbeitskreis mitarbeiten und das die Fachschaftsräte involviert werden. Auch das ist machbar, denn die Professoren merken, da will uns jemand Arbeit abnehmen. Und genau das müssen die Studierenden tun. Sie müssen nicht fordern, sondern entlasten. Ja, eigentlich ist es nicht die Aufgabe eines Studierenden, aber der beste Weg in eine bessere Hochschulumgebung mit vergleichbaren Abschlüssen. Die Studierenden wissen, wo es kneift, haben teilweise Kontakt zur Wirtschaft durch Hiwi-Jobs und können demnach sehr gut einen akkreditierbaren Studiengang entwerfen. Die jeweiligen AStA-Vertretungen werden dabei garantiert helfen, sofern sie nicht mit dem Hochschulrektor ’schlafen‘.

Fazit:

An der Bologna-Reform ist nicht alles schlecht. Sie hat Vor- und Nachteile und momentan zeigt die ganze Umstellung viele Probleme auf, die aber weniger auf Bologna, als auf die Politik und die Hochschulen und deren Umsetzung selbst zurückzuführen sind. Bolgona ist nur eine Rahmenrichtlinie, weil nicht rechtswirksam, dass muss allen klar werden. Mit allen meine ich alle: Alle Bundes- und EU-Bürger. Wenn die Wirtschaft versteht, dass die Umstellung und die ggf. mangelnde Qualifiktion eines Bachelor-Absolventen nicht auf Bologna sondern die Desinformation, politische Ignoranz, Parteiengehabe, Lobbyarbeit der Konservativen und die Fehlinformation, Negativ- und Falschdarstellung der Medien zurückzuführen ist und die Wirtschaft sich intensiver mit den eigentlichen Idealen des Bologna-Prozesses auseinandersetzen würde, dann würden viel weniger Klagen und Wehleiden, wie beschissen dieses System doch ist und das Diplom zurückfordern.

Ich wette mit Ihnen: Hätte die Politik den Bachelorabschluss nicht Bachelor genannt und die Inhalte des Diploms nicht in einen sechssemestrigen Studiengang gequetscht sondern die achtsemestrige Regelstudienzeit beibehalten und das Ganze Diplom genannt, und lediglich einen Master eingeführt und die Fächer modularisiert. Hätte niemand sich beschwert!

Es kneift also an allen Ecken. Es fehlt die richtige Lobbyarbeit, es fehlt Geld für Bildung, es fehlen Informationen. Tun Sie mir den Gefallen: Informieren Sie sich über unten angegebene Quellen und verbreiten Sie ihr Wissen und stellen Sie Falschbehauptungen richtig. Nehmen Sie meinen Post vielleicht als Grundlage. Unter der Seite Bologna finden Sie korrekt recherchierte Informationen, die ich zusammengestellt habe. Zwar sind die Informationen kommentiert. Der Kerninhalt jedoch ist durch Quellen belegt.

An alle Studierenden: Engagiert euch in Hochschulgremien! Und tut mir den Gefallen und lasst euch soviel Zeit mit dem Studium, wie ihr benötigt. Scheißt auf Regelstudienzeiten! Ihr bekommt BaföG und das fällt dann weg? Dann geht neben dem Studium fachbezogen als Hiwi arbeiten. Dadurch braucht ihr zwar wiederum länger für euer Studium, ihr sammelt aber wichtige Berufserfahrung, die euch später helfen wird. Wenn mehr Studenten ihre Regelstudienzeit nicht einhalten, dann werden die Hochschule ein Finanzierungsproblem bekommen und gemeinsam von den Ländern mehr Geld fordern. Ist der Druck auf die Politik hoch genug, dann wird sich was ändern. Dann solltet ihr an studentischen Protestbewegungen teilnehmen, wenn euch die Gesamtsituation auf den Senkel geht. Man muss nicht alle Kernforderungen einer Protestbewegung unterstützen, hauptsache man kann sich mit wenigstens einer identifizieren. Dann lohnt es sich auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren. Der nächste Bildungsstreik, alias Bildungsdemonstration, kommt bestimmt!

So, dass war mein Wort zum Sonntag. Ich freue mich über Kommentare!

Quellen:

bildungsstreik.net

Freier Zusammenschluss Svon StudentInnenschaften

sueddeutsche.de

tagesschau.de

taz.de

Bundesministerium für Bildung und Forschung

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